Mittwoch, 26. Mai 2010

Muß eigentlich nicht sein...

25.05.2010 - Tag 33
Hammelburg - Steinbach
9,5 h - 38 km

Eigentlich war es vorauszusehen... Die letzten zwei Tage machen mir noch zu schaffen, ich trage die langen Etappen und die vielen Auf- und Abstiege seit der Rhön noch mit in den Stiefeln. Heute steht mir wieder eine planerische Glanzleistung bevor: eine Tagesetappe, von der ich jetzt schon ahne, daß sie zu lang sein wird. Schon nach einer knappen Stunde habe ich das erste Mal den Weg verloren, weil ich brav dem asphaltierten Radweg neben der Straße folge. Macht der markierte Wanderweg auch, aber nur für 200 Meter. Ich hingegen ganze 3 Kilometer bis ins nächste Dorf. Erst dort bemerke ich meinen Fehler und schlage einen Bogen durch ein steiles Tal, bis ich wieder auf den Weg treffe. Das geht ja gut los.

Relativ unerwartet stehe ich auf einer kleinen Anhöhe, rundum nur trockene Schafsweiden, und dahinter rundherum Aussicht. Ich blicke nach Norden in die Rhön, wo ich hergekommen bin und sehe den Kreuzberg, an dem ich vorgestern vorbeigekommen bin. Ich sehe die Kammlinie mit dem Dreistelzberg, wo ich mich gestern hochgequält habe. Ich verfolge grob meinen Weg der letzten Tage und bin platt, wie weit man von diesem auf der Karte popelig aussehenden Berg doch gucken kann. Nach Süden hin wird`s flacher und waldiger. Ich raffe mich wieder auf und atme tief durch, es folgt: Mein persönlicher Horror. Vor mir liegt ein Stück Landschaft, daß quasi zwischen zwei Wanderkarten liegt, mir fehlt also jede Orientierung. Es müssen ungefähr 3 Kilometer sein und ich weiß nur, daß der mit dem roten Dreieck markierte Weg da drüben die aktuelle Karte verläßt und später bei Aschenroth auf der nächsten Karte wieder auftaucht. Also tapfer bleiben, immer aufmerksam dem Weg folgen, und alles wird gut.


Pustekuchen. Ich muß irgendwo die Abzweigung verpaßt haben und lande auf der anderen Seite des Berges, an dem ich eigentlich nur vorbeigehen wollte. So sieht Frust aus. Ich zücke den Kompaß und wähle mutig einen Weg, der die richtige Richtung zu haben scheint. Die nächste Stunde beschäftige ich mich damit, wieder auf den rechten Pfad zurück zu finden, was am Ende auch irgendwie hinhaut. Allerdings hätte ich die 4 km Umweg heute durchaus nicht haben müssen.

In Gemünden ist Assitreff am Marktplatz. All die Lässigkeit, mit der in Hammelburg auf dem Marktplatz gesessen  und genossen wurde, ist hier völlig unbekannt. Ich genehmige mir ein Eis, obwohl noch 3 h Weg vor mir liegen und fliehe. Hinter der Mainbrücke dann die bitte Gewißheit: noch 12 km. Scheiße. Inzwischen ist es 16:00 Uhr und ich bin sowieso nach Gefühl schon nah am Sonnenstich. Und jetzt noch 3 h am Main entlang (wenigstens flach...), in der prallen Sonne. Und so kommt es dann auch. Ich schalte den Kopf auf Durchzug, halte mich auf dem Asphaltband des Radwegs hart rechts, trinke mein letztes Wasser aus und stapfe los. Ich zwinge mich, nicht mehr auf die Karte zu gucken, und erfinde schlimme Abzähl-/Marschierreime. "Hier wandert heut ein Wandersmann / er wandert heut, so weit er kann." Ich kann nicht mehr damit aufhören. Links w-h-w-m-w-h-w-k. Kein schlechter Takt.

4 km vor Steinbach hab ich langsam das Gefühl, daß es bergab geht. Mit mir. Mir ist schlecht, mein Magen rumort und ich fühle mich wie durch den Wolf gedreht. Bloß nicht so Dummheiten machen wie ans Ufer setzen und die Füße ins Wasser packen. Oder auf die Bank da setzen. Alles viel zu gefährlich, denn ich bezweifle, daß ich danach wieder hochkomme. In Steinbach angekommen, schleiche ich ächzend hinter der Wirtin die Treppe noch und lasse mir das Zimmer zeigen. Ich sitze lange im halbdunklen Zimmer auf dem Sofa, bevor ich mich wieder aufraffen kann, irgendetwas zu tun. Und sei es nur, endlich Essen zu gehen.

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