Gersfeld - Bad Brückenau Staatsbad
8 h - 36 km
Ist eigentlich Schnee von gestern, aber zunächst muß noch meine Enttäuschung über meine gestrige Unterkunft in Gersfeld abgearbeitet werden... Mit dem Öffnen meiner Zimmertür gestern abend endet meine Begeisterung für den Tag. Das kleinste Einzelzimmer, das ich je gesehen habe. Gepaart mit dem kleinsten Bad, das ich je an Land gesehen habe (1,5 x 1,5 Meter). In einem schrecklichen 60er-Jahre-Bau. Der Aufzug ist mit mir und meinem Rucksack voll, wird aber gerne genutzt, wie ich auch den restlichen Abend über durchaus hören kann. Das Ächzen des Aufzugmotors war noch in meinem Zimmer zu hören, obwohl ich 3 Zimmer weit vom Aufzug entfernt war. Mein Zimmer hatte sogar einen Balkon, allerdings taugte der nur zum Schuhe lüften lassen, denn er war von links nach rechts von Vögeln vollgeschissen. Und ich habe hier zum ersten Mal Plastikgeranien in Blumenerde gesehen... Das Essen im Restaurant ist ok, allerdings überteuert - wie das ganze Hotel und mein Zimmer eben auch.
Auch beim Frühstück hat das Hotel Nettigkeiten parat. In der Top 3 meiner Haßliste: Frühstück mit Platzkärtchen. In einem kleinen Laden mag das ja noch angehen, aber in den weit verzweigten Frühstücksräumen (vier an der Zahl) dieses Hotels wollte ich dann doch nicht alle Tische einzeln nach meinem Namen absuchen. Der natürlich mal wieder falsch geschrieben ist. Danke, Wiedersehen.
Mit dem Gedanken, daß mich heute ein schwerer Tag erwartet, verlasse ich Gersfeld. Schönes Wetter, aber warm. Weite Strecke. Viel Auf und Ab... Schon nach einer halben Stunde bin ich klatschnass vor Schweiß, es ist am frühen Vormittag eher schwül als warm. Der ganze Tag ist ein einziger Umweg um den Truppenübungsplatz Wildflecken, der wie ein riesiger Stein in einem Fluß nur den Weg links oder rechts vorbei erlaubt. Am Waldrand haben sie brav im 100m-Abstand weiße Warntafeln mit einschüchternden Hinweisen aufgestellt, aber der Weg läuft immer brav in passendem Abstand parallel. Als ich am späten Nachmittag wieder ins Tal absteige, führt mich mein unmarkierter Weg (mit dem ich mir 300 Höhenmeter ersparen wollte) plötzlich an eine massive Schranke. Ein Warnschild. Und dahinter ist der Weg zuende. Scheiße. Die letzten 40 Minuten gab es keine Abzweigungen... Ich laufe ein wenig verzweifelt hin und her und entscheide mich schließlich dazu, der Karte zu vertrauen und einfach weiter zu gehen. Auch wenn`s Sperrgebiet ist. Irgendwo dahinten muß doch der Weg kreuzen, den ich umgangen habe... Nach 10 Minuten auf einen fast zugewachsenen Pfad atme ich auf und bin wieder auf dem markierten Wanderweg.
Am Nachmittag hat die Sonne mein Hirn schon gut durchgebrutzelt. Ich bin ca. 5h gegangen und fühle mich schon viel platter, als ich mích eigentlich fühlen sollte. Es ist sehr warm - mit Mütze auf dem Kopf kriege ich nen Hitzschlag. Ohne Mütze auf dem Kopf Sonnenbrand. Der Weg führt hoch über dem Tal am Hang entlang und als ich um die Ecke biege, steht da ein junger Typ, Marke Jugendfeuerwehr, neben einem gelben Spanngurt, der quer über den Weg gespannt ist. Och nö... Ich stelle mich im Geiste schon auf sein Sprüchlein ein, daß der Weg gesperrt ist, weil dahinten Bäume gefällt werden oder sonstwas, aber er übt nur. Fragezeichen? Er übt das Balancieren auf dem Spanngurt, ist aber noch nicht sonderlich weit. Mich packt der Ehrgeiz, ich werfe den Rucksack ab und will es auch probieren - sauschwer. Ich hätte gut Lust, meine Mittagspause einzuläuten und es weiter zu probieren, aber es wartet noch zuviel Strecke auf mich.
Im nächsten Ort, der wie ausgestorben in der Sonne brutzelt, während oben auf der Umgehungsstraße die Motorräder dröhnen, quatscht mich beim Überholen der Dorfrusse mit Biervorrat an: "Viele viele Sonne heute!" Jaja... Nach 7h verläßt mich der Spaß, es geht bergab und Bad Brückenau kommt in Sicht. Allerdings habe ich mir ein Hotel in Bad Brückenau Staatsbad gebucht, was nochmal ein anderer Ort ist und nochmal 4 km weiter. So quäle ich mich die letzte Stunde wie ein schwitzendes Alien vorbei an der Altstadt, dem Kurpark, dem Bezirksaltenheim, tonnenweise Kurgästen, Motorradgruppen, tankenden Autofahrern aus Berlin-Johannistal, lachhaften Trike-Gangs, Betonsünden der 70er, jovialen Endfünfzigern mit Schoßhündchen und dem besserwisserischen Wunsch, mir den Weg zu erklären. Und ich quäle mich zusätzlich noch mit dem Gedanken, wieso ich bei so einem Wetter nicht in meinem Cabrio sitze. Schlechtes Zeichen, solche Gedanken... Ich lasse sage und schreibe 3 (in Worten: drei!) Eiscafés links liegen, weil ich befürchte, daß ich mich nicht mehr zu den letzten Kilometern aufraffen kann, wenn ich erstmal ein Eis in der Pfote habe. Alles ist furchtbar, selbst die Rentner-Radfahrer scheuchen mich klingelnd beiseite. Bis ich endlich im Staatsbad ankomme und alles gut wird. Ein herrlicher Kurpark. Mein Hotel mittendrin, ein schöner alter Bau. Wunderschönes Zimmer, groß, die Cola in der Minibar ist Gott sei Dank eiskalt und rettet mich vor dem Ertrinken. Ich dusche glücklich den Schweiß des Tages aus meiner Haut und sitze danach zufrieden im dunklen Zimmer. Genug Sonne für heute.
Essen im Restaurant im Kurpark, angenehme Temperatur, gute Luft, gute Suppe, gutes Filet, gutes Buch. Links neben mir ein fränkisches Ehepaar, denen ich während des Essens interessante Neuigkeiten aus dem Bereich der Zuchtbullenhaltung und überhaupt der Rinderzucht ablausche. Geradeaus eine einzelne alte Dame mit Schoßhund in Tragetasche, vermutlich noch auf der Suche nach einem Kurschatten. Rechts auch nette Aussicht. Wenn ich das alles nur den Hotelbetreibern von gestern Abend vor Augen halten könnte, um ihnen die Frechheit ihrer Preisgestaltung bildlich zu erläutern...
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