Donnerstag, 6. Mai 2010

Vorerst: Ende Gelände...

06.05.2010 - Tag 14
es bleibt dabei: Schwanebeck

Murks. Schon morgens beim Wachwerden merke ich, daß es heute nix wird mit Wandern. Wenigstens habe ich geschlafen, im Vergleich zu gestern... Der Pensionswirt freut sich über die Verlängerung und ich eiere zum einzigen Arzt vor Ort. In einem Wartezimmer, das ich mir mit 8 Frauen (aber keinem einzigen Herren) teile, kennen sich alle. Highlight ist die Dame, die sich eine schwere Schwellung an der rechten Hand zugezogen hat, weil sie irgendein Vieh gestochen hat. Dieses Vieh saß in einer Tüte mit Spinat, die sie wiederum von der Frau mit dem gebrochenen Handgelenk (im Badezimmer ausgerutscht) bekommen hat. Usw/usf...

Ich verlasse den Doc mit der Diagnose "schwere Bronchitis mit ersten Anzeichen einer Pneumonie". Ach du Kacke. Damit hänge ich erstmal fest. Ich bestelle in der Apotheke meine Antibiotika (der Doc hat meine Situation erkannt und mir eine 3-Tage-Hammerdosis verschrieben) und gehe Frust-Shoppen. Im örtlichen NP-Markt meines Vertrauens gibt es viel zu Lesen, aber nix was ich gerne lesen würde. Ich hätte liebend gerne am Nachmittag einen "Spiegel" verschlungen, es wird aber nur Focus und ähnlicher Dreck geboten. Die Sortierreihenfolge im obersten Regal geht ungefähr so: Coupe / Focus / Spiegel Wissen / Das Goldene Blatt. Im mittleren Regal stehen nur Groschen-/Arzt-/Liebes-/Mutti-Romane.Verdammte Landkost. Dann eben Fernsehen.

Am Nachmittag denke ich zum ersten Mal wirklich drüber nach, wie es weitergehen soll. Ich befürchte, daß ich diesmal vernünftig sein muß und mich nicht halbkrank wieder auf die Piste werfen sollte. Daß mir nur ein Tagesmarsch bis zu meinem ersten Etappenziel "Harz" fehlt, wurmt mich gehörig. Meinem Lieblingshotel in Blankenburg habe ich heute schon abgesagt, sie haben mir rührenderweise sofort angeboten, mich abzuholen. Aber ich würde mir es nie verzeihen, daß mir eine Tagesetappe auf der Reise fehlt. Vielleicht wache ich morgen früh mit einer guten Idee in all dem Murks auf...

Die Börde nimmt, die Börde gibt...

05.05.2010 - Tag 13
Ummendorf - Schwanebeck
7 h / 29 km

Vergangene Nacht habe ich kaum geschlafen. Mit dem Abend wurde mein Husten immer heftiger und ich konnte später im Bett nahezu mitfühlen, wie sich meine Lunge mit Schleim füllte, der abgehustet werden wollte. Gefühlt habe ich vielleicht ein paar halbe Stunden Schlaf zusammenbekommen. Entsprechend gerädert sitze ich im zauberhaften Frühstücksraum in einer liebevoll ausgebauten Scheune, um ein liebloses Frühstück von einer resignierten Frühstücksdame vorzufinden. In der Luft hängt noch der Rauch von ihrer Pausenzigarette, das Ei ist so kalt, daß ich einfach mal vermute, daß das Frühstück seit 06:30 steht (als die Windrad-Monteure gefrühstückt haben). Die Brötchen würden auch als Kopfkissenfüllung eine gute Figur machen.

Das Wetter ist vielversprechend, ein kühler Sonnentag. Nach zwei Stunden auf der Straße zeigt die Magdeburger Börde Erbarmen und legt mir ein schönes großes Waldgebiet in den Weg. Uriger Buchenwald. Rausgeputze Forsthäuser mit einladenden Namen wie "Waldfrieden" und "Hubertushöhe".

Am Nachmittag durch Hornhausen. Ein kleiner Ort mit Bächen und Furten, alten Backsteinfabriken und alten Fachwerkhäusern. Ich erwarte Entzückung wie in Kalbe und werde derbe enttäuscht. Bis auf knackekurz geschnittene Vorgärten hat dieser Ort nix zu bieten. Und: keine einzige Bank. Nix zum Hinsetzen unter einen schattigen Baum, obwohl es genügend Parkanlagen, Spielplätze und Denkmäler gibt. Ich vermute Masche und bin beleidigt. Kurz bevor ich Hornhausen verlasse, stoppe ich bei Penny für eine Cola. Kurz hinterm Ort reicht dann eben der Straßenrand und Schneidersitz für die Mittagspause. Sie wird garniert vom Bauern, der das angrenzende Feld mit Fungiziden sprüht. Vielen Dank.

Als ich weiterlaufe, verliere ich schnell die Lust. Meine Lunge rasselt, der Weg zieht sich, und die Börde geizt mit vernünftigen Wegen. Das letzte Stück laufe ich auf einer Bundesstraße und kämpfe mit der Balance um Straßengraben oder Fahrbahn. Die Pension ist die netteste bisher, altes Fachwerkhaus am Markt, Eisbude direkt gegenüber, angenehme Matratze, mit 25 EUR spottbillig. Trotzdem will der Besitzer nach dem kommenden Wochenende die Bude dichtmachen. Beim Spaziergang am Abend stelle fest, daß er gleichzeitig der Immobilienmakler am Ort ist und gefühlt gerade versucht, den halben Ort an den Mann zu bringen. Viel Glück dabei...

Der Husten wird immer schlimmer und läßt nichts Gutes für den morgigen Tag erwarten. Der Blick auf die Karte ebenfalls: Ich finde keinen vernünftigen Weg nach Blankenburg. Entweder 10km Bundesstraße (wozu mir mein Leben eigentlich zu lieb ist) oder statt 30km eher an die 35km machen (was mir in meinem Zustand relativ irrwitzig erscheint). Murks.

Wieder im Angebot: Leere!

Hausnummernbingo: jetzt geht´s los...

Auffällig ist übrigens, daß die meisten Hausbesitzer es nicht mal schaffen, die mitgelieferten Ziffern vernünftig gerade aufzukleben...

#1a: Wormsdorf

#17: Hornhausen

#23: Schwanebeck

#49: Hornhausen

#114: Wulferstedt

#146a: Wulferstedt

Dienstag, 4. Mai 2010

Hausnummernbingo: 4 und 24

#24: Wefensleben

#4: Ummendorf

Angriff auf die Börde und all meine Vorurteile!

04.05.2010 - Tag 12
Flechtingen - Ummendorf
6,5 h / 26 km

Ich werde krank. Nicht tagsüber, aber abends und morgens fühle ich mich krank. Erst ganz zärtliche Halsschmerzen, dann leichtes Kratzen im Hals, dann laufende Nase, jetzt Husten. Wenigstens kommt bald der Harz mit Badewanne...

Heute morgen beim Frühstück verquatsche ich mich mit der Pensionswirtin. Der andere Gast der letzten Nacht, ein älterer Herr in seinen Siebzigern, sitzt immer noch im Frühstücksraum im Keller. Ich habe den Verdacht, daß die Wirtin ihm von meinem Vorhaben erzählt hat, denn er hört sehr aufmerksam zu und guckt so neugierig, wie jemand nur gucken kann, der einen Freak aus der Nähe sehen darf.

Der Start wieder im Regen. Im Wald bekomme ich einen heftigen Grün-Flash. Die frischen Blätter des Frühlings bewegen sich irgendwo zwischen neongrün und dunkelgelb, der Regen bringt alles noch zusätzlich zum Leuchten. Ich stolpere zur Abwechslung über Wege, die zwar existieren, aber nicht in der Karte eingezeichnet sind, quer über den Flechtinger Höhenzug. Der Spaß endet in einem Waldstück, neben dem der Bauer wieder gepflügt hat. Mein eingebildeter Alternativweg verläuft sich neben einem Hochsitz. Ich schrecke mal wieder einige Rehe auf und murkse durch das Unterholz eines triefend gesättigten Laubwaldes. Irgendwann findet sich wieder ein Weg, die Richtung könnte stimmen. Eine Stunde später trete ich aus dem Waldrand auf das Feld hinaus und merke, daß ich gut gepeilt habe. Schräg gegenüber liegt das Forsthaus, zu dem ich wollte.

Weiter geht es quer über das nächste Feld (ich mache das NICHT gerne!), danach sind meine Stiefel 3cm höher vom lehmigen Matsch, links und rechts wachsen Knollen aus den Sohlen. Als ich über die Straße laufe, hinterlasse ich putzige Lehmstapfen auf dem nassen Asphalt. Auch die nächsten zwei Stunden vergehen mit Gemurkse an den Rändern von Wald und Feld, auf Wegen, die gar nicht mehr da sind. Als ich gegen 15:30 Uhr zum letzten Mal für diesen Tag den Wald verlasse, liegt über den ganzen Horizont vor mir ausgebreitet die Börde. Und direkt vor mir die ersten Windräder.

Auf dem Weg hinunter ins Dorf komme ich an einem Windrad vorbei, davor zwei Transporter der Wartungsfirma. In Zeitlupe dreht sich das riesige Rad, während drinnen die Techniker emsig irgendwelche Arbeiten vollführen. Nicht einmal einen Kilometer weiter steht eine alte Bockwindmühle von 1783. Mit einer weißblauen Denkmal-Plakette drauf, die allerdings auch nichts mehr hilft. Nur das hölzerne Mühlenhaus steht noch komplett, die Flügel sind zerschmettert und hängen - in ihren eigenen Drähten verheddert - im Wind. Ein bitteres Bild...

Als ich die A2 überquere, bin ich abermals enttäuscht. Schon bei der A24 habe ich nichts wiedererkannt, heute geht es mir nicht anders. Eine Unterführung beraubt mich das Blickes auf die Autobahn, und als ich auf der anderen Seite wieder auftauche und den nächsten Hügel besteige, sehe ich nur eine Autobahn zwischen Rapsfeldern, aber den Hügel auf dem ich stehe, habe ich noch nie gesehen. So soll das erste Wiedererkennen von Landschaft wohl bis zum Harz auf sich warten lassen.

In Wefensleben kommt die Sonne raus. Ich entschließe mich zu einem boshaften Spiel: Hausnummernbingo. Es gibt eine Art von kombinierter Hausnummer mit Beleuchtung und Solarzelle, die mir in den letzten zwei Wochen schon mehrfach über den Weg gelaufen ist. Baumarkt-Individualität. Ich befürchte, daß sie mich auch den restlichen Weg durch Deutschland begleiten wird.

Ummendorf ist totenstill, weil die Hauptstraße gesperrt ist. Einige Anwohner fahren vorsichtig durch die Baustelle, ansonsten ist das Dorf gespenstisch erstarrt. Ein kleiner Hund merkt erst, als ich schon fast an seinem Zaun vorbei bin, daß ich mich bewege und fängt ganz erschrocken an, umso heftiger zu kläffen. Vor der Pension treffe ich die beiden Transporter der Windrad-Monteure wieder...

Was Friseure können, können nur Friseure...

... Was die Friseure in diesem Salon (Inhaberin: Doreen Bögelsack) allerdings so können, möchte ich gar nicht wissen. Ganz im Gegensatz zu folgender Frage: Was, zur Hölle, soll "Le ´mistdo" bedeuten? Wenigsten´s gibt`s "ne gelbe Tonne für`s Abfallhaar.

Im Regen...

03.05.2010 - Tag 11
Mieste - Flechtingen
5,5 h / 25 km
 
Mieste verabschiedet sich... Im Regen. Schon beim Aufwachen konnte ich dem Regen zuhören. Und man hörte es ihm an, er würde sich einregnen. Mit entsprechend mißmutiger Laune mache ich mich auf den Weg.

Doch der Weg belohnt mich. Stille Betonwege durch den Drömling, überall wabert die feuchte Luft, der Regen fällt zeitverzögert von den Blättern der Büsche und Bäume in die Kanäle hinab. Die Tiere auf der Weide haben keine Zäune, sondern einfach nur Wasser um sich herum. Nach einer guten Stunde komme ich an einzelnen Bauernhöfen vorbei, die - ohne Nachbarn hingestreut - seltsam fehl am Platz wirken. Aus den vielen kleinen Kanälen werden immer breitere Wasseradern, ich überquere die Ohre, kurz darauf stehe ich auf einer absurd monströsen Brücke.

Der Mittellandkanal. Ende Gelände. Noch so etwas, das das Land trennt. Kein einziges Schiff ist zu sehen, sanft und breit liegt der Kanal viele Meter unter mir und bildet gleichzeitig das Ende des Drömlings. Dahinter, in Mannhausen, beginnt Hügelland mit Feldern und Nadelwald.

Im Wald bemerke ich mein außergewöhnliches Talent, das mir vorher nie klar war: Mir beim Laufen tonnenweise Sand und Steinchen in den Stiefel schaufeln. Ab jetzt setze ich mich brav alle zwei Stunden hin, entknote meine Stiefel, schüttele und klopfe alle blinden Passagiere hinaus, um doch nur 100 Meter weiter schon wieder den nächsten Stein triumphierend an der Ferse zu spüren. Was soll´s...

Auf den Feldern hinter Mannhausen mache ich mein neues Feindbild aus: Bauern, die Wege unterpflügen und zu ihrem Feld zuschlagen. Ständig sind die wenigen Wege, die auf der Karte überhaupt sinnvoll zusammenpassen, in der Natur einfach nicht mehr da. Meine Stiefel sind schnell durchgeweicht vom ewigen Gehen im hohen Gras und auch die Kollegen der Zeckenfraktion bleiben bei schlechtem Wetter nicht zuhause. Belohnt werde ich mit tiefsaftigem, feuchtem Wald, in dem außer mir bestimmt heute niemand unterwegs ist. Die Luft ist kühl, man sieht deutlich seinen Atem und ich merke plötzlich, wie leicht alles geht. Wie wenig ich innerlich über die Schmerzen jammere. Wie wenig ich noch daran denke, wie lange ich wohl noch bis zum Ziel des Tages brauche. Wieviel Spaß das Gehen plötzlich wieder macht. Das Genießen von Natur. Das Wandern. Ich habe eine gute Woche gebraucht, um mich von der Überforderung zu erholen. Ich beginne, Spaß zu haben. Zumindest unterschwellig...

Als ich drei Stunden später wieder aus dem Wald breche, liegt vor mir ausgebreitet eine Ebene mit Verkehrswegen, dahinter Flechtingen. Bundesstraße, Kreisstraße, rechts der Bahnhof, Industriegebiet. Umgehungsstraße, Recyclingplatz, dann der Lebensmitteldiscounter, schließlich der Ort. Wie eine Palette, von der sich tausende andere Orte in Deutschland immer wieder bedienen.
 
Flechtingen rockt. Im o.g. Lebensmittelmarkt kaufe ich glücklich zwei Äpfel, Buttermilch und ähnlichen Schnack. Bei gefühlten 12° sitze ich auf der Bank am See und genieße den Luxus. Zwei Straßen weiter ist meine Pension für heute, das Universum belohnt mich abermals. Die gute Frau Pensionsbetreiberin hat das einzig Richtige getan und die Garage des Hauses mit einem monströsen aber durchaus schicken Eiscafé-Anbau versehen. Ich bestelle ein Eis und ein Zimmer, bestehe auf die Einhaltung der genannten Reihenfolge und wir kommen ins Gespräch. Auf dem Weg zum Abendessen hole ich mir noch das Lakritzeis zum Probieren ab und verbringe den restlichen Abend mit Umplanen. Ursprünglich wollte ich über Helmstedt/Huy/Halberstadt/Blankenburg gehen, aber irgendwie scheint mir das jetzt alles Murks zu sein, da Zick-Zack und ich nehme die Mageburger Börde, wie man sie nehmen sollte: Frontal.

Nasse Wege durch den Drömling...



Der Miester Gastronomietreff...

Sonntag, 2. Mai 2010

Auf Murks folgt Sonnenschein!

02.05.2010 - Tag 10
Kalbe (Milde) - Mieste
6,5 h / 27 km

So murksig, wie der Tag gestern endete, so nett begann er heute. Ich habe den Kalbensern vergeben, denn sie waren es gar nicht, die gestern abend das Hotel beim schlimmen Abendbuffet bevölkert haben. Das waren alles - gulp - Hotelgäste...

Erstmal 2h bis Wiepke zum Warmwerden. Die Sonne scheint sanft, einige Spaziergänger drehen ihre Sonntagsrunden. An der Weggabelung stehen zwei alte Herren mit ihren Fahrrädern und tratschen. Auf der Weide dahinter haben sie Kühe verteilt. So soll ein Sonntag vormittag aussehen. Wiepke ist wieder eines der schöneren Dörfer, erschreckend still zwar wieder, aber mit wunderbaren alten Häusern. Von jeder Ecke leuchtet unaufdringlich ein Schild mit "Pension" und "Zimmer" auf mich herab und hält meine Vorsicht von gestern zum Narren. Nachher ist man immer klüger.

Ich höre sofort auf, mich zu ärgern, als hinter Wiepke endlich die lang ersehnten Hügel auftauchen. Berge! Bergketten! Gebirge! Über 120m hoch! Ich fühle mich schon fast wie im Harz und lobpreise die Errungenschaften der hügeligen Landschaft: Malerisch am Waldrand mit Blick auf das Dorf wartet eine Bank auf mich und meine Rast. 

Im Wald verlaufe ich mich erst einmal saftig. Nach 20min habe ich keine Ahnung mehr, wo ich mich eigentlich wirklich befinde und beschließe, einfach dem erstbesten Weg in die richtige Richtung zu folgen. Irgendwann bin ich wieder auf Kurs, OHNE irgendeinen Förster mit Tränen in den Augen nach dem Weg zu fragen.

Stundenlang durch stillen Wald, Verbotsschilder des Bundesvermögensamtes Magdeburg links und rechts. Wahrscheinlich bin ich seit Wochen der einzige Mensch hier. Manche Wege sind nicht viel mehr als Schneisen im Wald, die aber zuverlässig hinführen, wo sie sollen. Am Nachmittag finde ich einen Gedenkstein, "13.04.1945". Einer von vielen, die an diesem Tag noch folgen werden. Die SS hat hier noch drei Wochen vor Kriegsende gewütet. Mehrere hundert KZ-Häftlinge wurden vom Mittelbau Dora im Harz auf Todesmärsche geschickt. Viele sind in diesem großen stillen Waldstück erschossen worden. Den Rest des Weges sehe ich den Wald um mich herum mit anderen Augen. Vielleicht auch er mich.

Als ich kurz vor Mieste am Waldrand auf das Feld trete, rasen 50m weiter auf der Bundesstraße Menschen in ihren Autos vorbei. Wie fremd diese Geschwindigkeit mir vorkommt. Ich beobachte einen Golf, der zum Überholen ansetzt, erinnere mich sehr gut an die Abläufe dieses Vorgangs und doch fühle es sich irgendwie absurd an. Die Strecke, für die ich den ganzen Tag brauche, schafft dieses Auto in weniger als einer halben Stunde.

In Mieste dann eine Belohnung nach der anderen. Ich entere die örtliche Eisdiele in der Hoffnung auf ne schnelle Waffel und stehe erstmal gefühlte Stunden an. Vor mir das unkoordinierte Elternpaar, die feststellen, daß sie all das Eis, das sie bestellt haben, gar nicht alleine tragen können. "Annika", das Kind - wuselt hinten auf dem Parkplatz rum und will nicht kommen. Vati wird böse. Annika kommt trotzdem nicht. Und so kommt es, daß Vati das Eis für Annika - in Sichtweite des Kindes - in den Mülleimer wirft. So bitter es ist, irgendwie doch schon wieder cool. Die Frau vor mir bestellt noch ein "Zofteis", dann bin ich endlich dran und das Glück stömt in meinen Körper.

Auch das "Haus Altmark" ist besser als gedacht. Ich habe das Schlimmste befürchtet, aber ein gut gefüllter Dorfgasthof mit Familienfeier am Nachmittag ist nie ein schlechtes Zeichen. Mein Zimmer ist gleich links, durch den Gang mit den Toiletten. Erste Tür rechts: Damen. Zweite Tür rechts: Herren. Tür geradeaus: Privat. Mein Zimmer. Ich will schon protestieren, aber es gibt noch eine Zwischentür, das Zimmer ist unerwartet nett und das Badezimmer noch besser. Ich bin zufrieden. Zum Abendessen wieder rüber in den Gastraum, es ist Sonntag abend 19:00 Uhr und es ist voll. Das ganze Dorf ist da und sitzt und lacht und ißt und trinkt und raucht. Ich wirke ein wenig fremd, aber ein riesiger Teller mit Fleisch und Salz rettet meinen Abend. Ein Hoch auf das Balkan-Restaurant am Ende der Welt.

Pussel!

Nachtrag: "Center Hotel Altmark"...

Von jedem noch so schlimmen Laden muß man ja irgendwann mal Werbefotos machen. Ich würde folgende Darstellung für realistisch halten:

Die Werbestrategen von "travdo" haben sich aber folgenden Blickwinkel ausgesucht... (Der zwar aus einer Parkanlage heraus fotografiert ist, die aber ironischerweise niemand freiwillig betritt, weil so viele Vögel in den Bäumen nisten, daß der ganze Boden vollgeschissen ist. Und mit ihm jeder, der diesen Park betritt. Auch irgendwie passend...)