Mieste - Flechtingen
5,5 h / 25 km
Mieste verabschiedet sich... Im Regen. Schon beim Aufwachen konnte ich dem Regen zuhören. Und man hörte es ihm an, er würde sich einregnen. Mit entsprechend mißmutiger Laune mache ich mich auf den Weg.
Doch der Weg belohnt mich. Stille Betonwege durch den Drömling, überall wabert die feuchte Luft, der Regen fällt zeitverzögert von den Blättern der Büsche und Bäume in die Kanäle hinab. Die Tiere auf der Weide haben keine Zäune, sondern einfach nur Wasser um sich herum. Nach einer guten Stunde komme ich an einzelnen Bauernhöfen vorbei, die - ohne Nachbarn hingestreut - seltsam fehl am Platz wirken. Aus den vielen kleinen Kanälen werden immer breitere Wasseradern, ich überquere die Ohre, kurz darauf stehe ich auf einer absurd monströsen Brücke.
Der Mittellandkanal. Ende Gelände. Noch so etwas, das das Land trennt. Kein einziges Schiff ist zu sehen, sanft und breit liegt der Kanal viele Meter unter mir und bildet gleichzeitig das Ende des Drömlings. Dahinter, in Mannhausen, beginnt Hügelland mit Feldern und Nadelwald.
Im Wald bemerke ich mein außergewöhnliches Talent, das mir vorher nie klar war: Mir beim Laufen tonnenweise Sand und Steinchen in den Stiefel schaufeln. Ab jetzt setze ich mich brav alle zwei Stunden hin, entknote meine Stiefel, schüttele und klopfe alle blinden Passagiere hinaus, um doch nur 100 Meter weiter schon wieder den nächsten Stein triumphierend an der Ferse zu spüren. Was soll´s...
Auf den Feldern hinter Mannhausen mache ich mein neues Feindbild aus: Bauern, die Wege unterpflügen und zu ihrem Feld zuschlagen. Ständig sind die wenigen Wege, die auf der Karte überhaupt sinnvoll zusammenpassen, in der Natur einfach nicht mehr da. Meine Stiefel sind schnell durchgeweicht vom ewigen Gehen im hohen Gras und auch die Kollegen der Zeckenfraktion bleiben bei schlechtem Wetter nicht zuhause. Belohnt werde ich mit tiefsaftigem, feuchtem Wald, in dem außer mir bestimmt heute niemand unterwegs ist. Die Luft ist kühl, man sieht deutlich seinen Atem und ich merke plötzlich, wie leicht alles geht. Wie wenig ich innerlich über die Schmerzen jammere. Wie wenig ich noch daran denke, wie lange ich wohl noch bis zum Ziel des Tages brauche. Wieviel Spaß das Gehen plötzlich wieder macht. Das Genießen von Natur. Das Wandern. Ich habe eine gute Woche gebraucht, um mich von der Überforderung zu erholen. Ich beginne, Spaß zu haben. Zumindest unterschwellig...
Als ich drei Stunden später wieder aus dem Wald breche, liegt vor mir ausgebreitet eine Ebene mit Verkehrswegen, dahinter Flechtingen. Bundesstraße, Kreisstraße, rechts der Bahnhof, Industriegebiet. Umgehungsstraße, Recyclingplatz, dann der Lebensmitteldiscounter, schließlich der Ort. Wie eine Palette, von der sich tausende andere Orte in Deutschland immer wieder bedienen.
Flechtingen rockt. Im o.g. Lebensmittelmarkt kaufe ich glücklich zwei Äpfel, Buttermilch und ähnlichen Schnack. Bei gefühlten 12° sitze ich auf der Bank am See und genieße den Luxus. Zwei Straßen weiter ist meine Pension für heute, das Universum belohnt mich abermals. Die gute Frau Pensionsbetreiberin hat das einzig Richtige getan und die Garage des Hauses mit einem monströsen aber durchaus schicken Eiscafé-Anbau versehen. Ich bestelle ein Eis und ein Zimmer, bestehe auf die Einhaltung der genannten Reihenfolge und wir kommen ins Gespräch. Auf dem Weg zum Abendessen hole ich mir noch das Lakritzeis zum Probieren ab und verbringe den restlichen Abend mit Umplanen. Ursprünglich wollte ich über Helmstedt/Huy/Halberstadt/Blankenburg gehen, aber irgendwie scheint mir das jetzt alles Murks zu sein, da Zick-Zack und ich nehme die Mageburger Börde, wie man sie nehmen sollte: Frontal.
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