Dienstag, 1. Juni 2010

Idyllenschwerpunkt Bach...

01.06.2010 - Tag 40
Waldenburg - Hohenhardtsweiler
7 h - 27 km

Mein gestriger Ruhetag hat mich geschlaucht. Zuviel gegessen, zuviel geschlagen, zuviel geredet. Aber es war herrlich! Christoph setzt mich am späten Vormittag in Waldenburg ab, wo wir uns vorgestern getroffen hatten. Das Loslaufen geht ganz automatisch, meine Füße erinnern sich sofort an den Takt. Ich fühle mich wie ein neuer Mensch mit meinen komplett frisch gewaschenen Klamotten und freue mich doch schon darauf, heute abend wieder verdreckt in meinem Nachtquartier anzukommen.

Der Himmel hält dankenswerterweise dicht und ich bummle durch den Schwäbisch-Fränkischen Wald. Noch nie von gehört. Außerdem wirkt die Bezeichnung "fränkisch" irgendwie fehlgeleitet in einem Landstrich, in dem ganz unüberhörbar schwäbisch gesprochen wird. Aber es ist Dienstag, ich bin alleine in diesem nassen Wald, und das ist alles, was heute zählt.

Am frühen Nachmittag wandere ich ein malerisches Flußtal entlang, das sich immer weiter verengt. Soweit, bis zum Schluß nur noch ein schmaler Pfad neben dem überbordenen Bach entlang läuft. Von überall her kommt Wasser, aus jeder Ritze, unter jedem Blatt hervor, alles strömt zum Bach und der trägt schwer mit all der Last. Ich bin im Glück, solche schmalen Wege sind mir die Liebsten. Ein paar Biegungen weiter kommt die Herausforderung. Der Weg ist weg. Und irgendwie auch die Brücke, die hier sein sollte. Zur Illustration:

Hier im Bild: Idyllenschwerpunkt "schmaler Pfad neben Bach in tief eingeschnittenem Tal". Alles soweit noch ok...


Und hier der Gegenschuß: Herausforderung "Weg weg, Brücke weg". Der Pfad endet vorne links, danach sollte es eigentlich oben rechts weitergehen...


Es ist ja nun nicht so, daß ích noch nie einen Bach ohne Brücke überquert hätte. Neben der goldenen Muttiregel "Über jedes Bacherl geht a Brückerl" gibt es ja auch noch: Steinhüpfen, Schuhe ausziehen und durchwaten oder gar auf die Wasserdichtheit der Stiefel vertrauen. Oder im Zweifelsfall: Umkehren, anderen Weg suchen. Keine dieser Alternativen kommt in Frage. Auf dem gegenüberliegenden Ufer wage ich ein paar Meter höher meinen eigentlichen Weg zu erkennen, aber irgendwas in mir hält mich vor irgendwelchen halsbrecherischen Aktionen zurück. Wahrscheinlich die Vernunft, die weiß, daß das da oben gar nicht mein Weg ist, sondern nur ein Trampelpfad für Rehe. Von unten ist das nicht zu erkennen... Zurück kommt nicht in Frage, als kraxele ich auf meiner Seite des Baches die Böschung hoch, rutsche dabei x-mal auf dem nassen Waldboden aus, lande am Ende auf einem Holzweg, der zuletzt vor 20 Jahren befahren wurde. Bei der Wahl zwischen "Brennnessel oder Brombeersträucher an den Unterschenkeln" wähle ich regelmäßig das falsche Übel und brauche für die nächsten 500 Meter bis zum Forstweg (der da hinten irgendwo kommen muß-muß-muß) eine knappe Stunde. Danach geht alles wunderbar schnell, die Wegmarkierung ist plötzlich wieder da, einen Kilometer weiter gibt es eine neue Brücke und - wuppdich - bin ich aus dem Tal draußen und sammle erstmal die aus dem Unterholz mitgebrachten Zecken wieder ein.

Überhaupt kämpfe ich heute den halben Tag gegen Unterholz, hüfthohes Gras und verschwundene Wege. Ein wenig so, als wären alle Menschen, die jemals in diesem Wald gelebt haben, plötzlich verschwunden und nun erobert sich der Wald die Wege zurück. Aber vielleicht übertreibe ich auch nach den letzten Tagen, in denen ich nur wohlgeordnete Weinberge gesehen habe.

Abends im Hotel erliege ich wieder dem herben Charme von verzweifelten Landhotels, zu denen es keine Alternative gibt. Herrlich bitter...

1 Kommentar:

  1. Gegendarstellung:
    Ich räume freimütig ein, dass es genügend zu essen und reichlich Gespräche gab. Frei erfunden ist jedoch, dass wir uns - wegen was auch immer - GESCHLAGEN hätten !

    War schön, dass du bei uns warst - hat uns viel Freude bereitet. Und nun auf zum Endpurt, das bisschen Schwäbische Alb machst du jetzt mit links ! LG Christoph

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