Dienstag, 18. Mai 2010

18.05.2010 - Tag 26
Winterstein - Schmalkalden
7 h - 27 km

Wie schön, daß Hotelgäste meistens brav beim Frühstück am selben Tisch sitzen, an dem sie am Abend schon zum Abendessen gesessen haben. So habe ich heute morgen nochmal das Vergnügen, die illustre Reisegruppe am Nebentisch zu belauschen. Wieder eine Kombination aus Berlinern und Franken. Das ist schon das zweite Mal auf dieser Reise, daß ich diese Dialekte an einem Tisch höre...

Winterstein tut nur auf dem Papier so, als wäre es ein touristischer Ort. Die Stadtväter haben zwar dafür gesorgt, daß alle Wanderwege einen vollkommen unsinnigen Umweg durch den - hüstel - Kurpark nehmen. Und sie haben bei der Planung des Ortes die Gehwege vergessen. So balanciere ich die ersten zwei Kilometer zwischen Gartenzäunen, Hauptstraße, Bach und Straßenrand. Im Wald geht`s schwer bergauf, schon der Blick auf die Karte entlockt meinen Knien ein Seufzen. Aus dem breiten Forstweg wird ein Traktorweg wird ein Karrenweg wird ein Schlachtfeld. Quellen drücken links und rechts ihr Wasser in das tief eingeschnittene Tal, an dessen Hang sich der Weg drückt. An einem besonders matschigen Stück kriege ich einen Ordnungskoller, werfe des Rucksack ab und versuche mich eine gute halbe Stunde als Wasserbaumeister. Herrlich. Ordnend eingreifen. Dämme bauen. Nebenbei den weiteren Aufstieg verdrängen. Als ich eine halbe Stunde später oben ankomme, beginnt der Horror. Gute 90 Minuten habe ich mich einsam bergauf gequält und nun stehe ich auf einer stark befahrenen Straße und werden von LKW in den Graben gedrängt. Mir fällt der schlimme alte Familienspruch wieder ein: "Hier hätte ich auch mit dem Auto hinfahren können..."

Beim letzten Anstieg auf den Großen Inselsberg kommt mir ein Ausflugsbus voller Senioren entgegen, die den Wanderer vor ihrem Fenster so entgeistert anschauen, daß ich mir das Lachen nicht verkneifen kann. Oben auf dem Berg dann Pommesterror. Drei Gasthöfe buhlen um die Ehepaare, die hier mit dem Auto hochgefahren sind oder mit Nordic-Walking-Stöcken den sanften Südwesthang hochgedackelt sind. Ich bin enttäuscht, die Aussicht rechtfertigt den Anstieg bei Weitem nicht. Egal. Beim Abstieg treffe ich die - Achtung, Hochgebirge! - Bergwachtbereitschaft mit der Klorolle in der Hand auf dem Weg in den Wald.

Ich stelle fest, daß ich heute außergewöhnlich fotofaul bin, vielleicht auch, weil man die schönen Aussichten auf das hügelige Land und die vielen Hügel dahinter nicht wirklich schön auf ein Foto bannen kann. Ich sehe Wiesen, ich sehe Mischwald, ich sehe Schafe, ich sehe Kühe, ich sehe Dörfer, ich sehe Natur. So soll es sein.

Schmalkalden ist so groß, daß es mich überfordert. Ich war (mit Ausnahme von Blankenburg, wo ich mich aber auskenne) seit Wochen nicht mehr in einem so großen Ort (20.000 Einwohner?). Das Hotel finde ich dank GPS und Google Maps ratzfatz, danach führen mich GPS und Google Maps aus Boshaftigkeit total in die Irre, als ich einmal quer durch den Ort zur DHL-Packstation will, um mein dort deponiertes Paket abzugreifen. Berg hoch, links, quer, Berg runter, murks, murks, murks. Auf dem Rückweg gehe ich einfach nach Bauchgefühl die Hauptstraße entlang, komme ohne Umwege an und bin doch erstaunt, wie sehr sich dieser Ort zieht.

Morgen geht es nach Meiningen (nochmal so eine Metropole), danach bin ich wieder auf den Dörfern. Wo ich hingehöre.

2 Kommentare:

  1. Ist nicht jetzt Bergfest ???

    Jetzt scheint's bei dir ja richtig zu flutschen - du wirst sehen, die zweite Hälfte wird wie im Flug vergehen, und viel zu schnell ist alles vorbei.

    Deine Schilderung schlägt uns immer mehr in ihren Bann. Gleiches gilt für die Bilder, die (trotz 16 bit Farbtiefe ?), einen Beobachter verraten, der bei sich angekommen zu sein scheint.

    Viel Spass weiterhin ! LG Christoph + Doris

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  2. Ich bin so'n bißchen dafür, dass Du ab Bodensee einfach weiter gehst, dann haben wir alle noch mehr Gutes zu lesen. Trotzdem, ich bleibe dabei: mehr Pausen. Jos

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