Mittwoch, 12. Mai 2010

Samesame, but different...

12.05.2010 - Tag 20
Sorge - Walkenried
4,5 h - 23 km

Ich lasse es heute mal gaaaanz vorsichtig angehen, nur gute 20 km stehen auf dem Zettel. Das gibt allerdings die Möglichkeit zu einigen netten Wegen, zum gemütlichen Schlendern und zum Schonen der Füße. Und ich mache die Harzdurchquerung in genau 2 Tagesetappen: Blankenburg am nördlichen Harzrand - Sorge mitten im Harz - Walkenried am südlichen Harzrand. Das passt...

Bevor ich aufbreche, feiere ich erst einmal das beste Frühstücksbuffet ab, das ich auf meiner Reise bisher hatte. Alles da, alles im Überfluß, ich beginne mit Zimtmüsli und Joghurt, schlage das Angebot von frischem Spiegel- oder Rührei elegant aus, arbeite mich statt dessen weiter durch diverse Brötchenbeläge wie feine italienische Salami oder Zuckerrübensirup bis hin zur Nachtischkiwi. Zwischendurch gab´s auch noch Gürkchen, selbstgemachte Minibuletten undundund. Herrlich. Ich teile den Frühstücksraum mit drei sehr alten Ehepaaren, denen man anmerkt, daß sie es nicht gewöhnt sind, in Gesellschaft zu frühstücken. Es wird gerülpst, gemosert, rumgemotzt und geschlürft, als sei man zuhause in den eigenen vier Wänden. Alleine mit dem Ehepartner, so wie seit 50 Jahren. Ein liebevolles "Gib mal die Butter her!" oder "Neee, nicht so´n Körnerbrötchen!" oder "Nä, das steht bestimmt schon länger!" leitet die deutlich mithörbare Litanei ein, wie schlecht man doch geschlafen habe und warum. Ich kichere in meine Teetasse, bemitleide das mittlere Ehepaar (dem das Schauspiel teilweise auch ein wenig peinlich ist), und habe meinen Spaß. Und erspare den Mitlesenden den Rest.

Hinter Sorge tauche ich wieder in den nassen Wald und in die tief hängenden Wolken. Ein Mann mit Mofa und Anhänger macht Holz mit der Kettensäge -- ich frage mich allerdings, wie sich der schwer beladene Anhänger auf dem nassen Grasboden jemals auch nur ein Stück fortbewegen soll. Weiter nach Hohegeiß, mit 640m der vorerst höchste Ort meiner Reise. Ab hier: Abwärts. Steile Täler, oben nur Wolken, vorne und hinten nur Nebel. Nach einer guten Stunde öffnet sich das Tal und irgendwann verzieht sich unmerklich auch der Dunst.

In Zorge stelle ich fest, daß ich offensichtlich wieder im Westen bin -- die schlimmen Mietskasernen am Straßenrand sind eindeutig nicht Ost-Plattenbau, sondern West-60er-Jahre. Beides sieht in der Regel ähnlich schlimm aus. Gleichzeitig wird mir wieder bewußt, daß ich heute wieder meinen schlimmsten Fehler begangen habe: Wer schon mit dem Gedanken "Ach, heute nur ne kurze Tour..." losläuft, wird immer damit bestraft, daß er davon ausgeht, daß man sowieso gleich da ist. Und dann zieht sich´s. Und zieht. Und zieht...

Die letzte Stunde quäle ich mich durch einen sehr malerischen Wald mit einem vollkommen aufgeweichten Unterboden, dem die Forstmaschinen den Rest gegeben haben. Bei jedem Schritt sinken die Stiefel tief in den Matsch ein und ich besinne mich zurück auf die alte Vorsicht, die ich mir in norwegischen Sumpfwiesen zugelegt habe: Auch wenn das Stück da vorne fest aussieht, könnte es knöcheltiefer Matsch sein. Manchmal funktioniert diese Gleichung, allzuoft aber auch nicht. Verdreckt komme ich in Walkenried an und säubere mich auf der ersten erreichbaren Rentnerbank. Ich stolpere gegen 14:30 Uhr durch einen ausgestorbenen Ort, hier gibt´s nix und das wenige, das es gibt, hat Mittagspause oder Mittwoch Nachmittag geschlossen. Nachdem meine Unterkunft für heute abend noch nicht besetzt ist, irre ich auf der Suche nach einem Lebensmittelladen durch den Ort, werde nicht fündig und ende im einzigen überhaupt offenen Laden des Ortes: Dem Museumscafé. Immerhin: guter Linseneintopf, lecker Torte als Nachtisch und viel heißen Tee.

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